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Siehe: (denn kein Baum soll dich zerstreuen)
reinen Raum auf diesem Eiland stehn.
Vögel? - - Sei gefasst auf Leuen,
welche durch die Lüfte gehn.
Bäume würden scheuen,
und ich will nicht, dass sie sehn.
Aber du, du sieh, gewahre, sei
schauender, als je ein Mann gewesen.
Du sollst fassen, nehmen, lesen,
schlingen sollst du, die ich dir entzwei
breche, meines Himmels volle Frucht.
Dass ihr Saft dir in die Augen tropfe,
sollst du knieen mit erhobnem Kopfe:
dazu hab ich dich gesucht.
Und sollst schreiben, ohne hinzusehn;
denn auch dieses ist von Nöten: Schreibe!
leg die Rechte rechts und links auf den
Stein die Linke: dass ich beide treibe.
Und nun will ich ganz geschehn.
Jahrmillionen muss ich mich verhalten,
weil die Welten langsamer verleben,
muss den kalten
nach und nach von meinen Gluten geben,
statt in allen alle Glut zu sein.
Und so bin ich niemals im Geschaffnen:
wenn die Menschen eben mich vermuten,
so vergisst mich schon der Stein.
Einmal will ich mich vor dir entwaffnen.
Meine Mäntel, meine Reichsgewänder,
meine Rüstung alles, was mich schnürt:
abtun und dem hohen Doppel-Händer,
den der Engel für mich führt,
meiner Rechten Strom entziehn -. Doch jetzt
siehe die Bedeutung meiner Trachten.
Da Wir uns so große Kleider machten,
kommt das Unbekleidetsein zuletzt.
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Rainer Maria Rilke, 19./20.11.1915, München
Späte Gedichte. Leipzig 1934.