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Oh wie schälst du mein Herz aus den Schalen des Elends

Oh wie schälst du mein Herz aus den Schalen des Elends.
Was verriet dir im schlechten Gehäus den erhaltenen Kern?
Der süß wie Gestirn, weltsüß, mir im Inneren ansteht.
Ach, da ich litt, befiel ihn ein schläferndes Wachstum,
da mir das Leiden schweigend die Glieder zerbrach
schlief mir im Herzen ein Herz, ein künftiges, schuldlos.
Eines, oh sieh: noch weiß ich nicht welches, noch rat ichs,
dieses vermutete Herz. Ihm galten die Sterne
die ich dem trüberen gab. Oh sei ihm hinüber
durch meine bange Natur. Sei ihm verständigt. Erkenns.
Rufs. Du Erstaunende, rufs. Stell ihm ein kleines
Lächeln zunächst, dass es sich rührt von dem Schein;
neig ihm dein schönes Gesicht: den Raum des Erwachens
dass es sich wundert in Dir und sich des Morgens gewöhnt.

Rainer Maria Rilke, 2. und 3.3.1914, Berlin
Sämtliche Werke, Band II, 1957.