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Für Ernst Hardt

auf seine 'Ninon von Lenclos'

Der süßen Ninon süßes leichtes Leben
wie ist es Euch zu Greifbarem gereift.
Wie habt Ihr es genommen und gegeben:
so wie ein Abendwind im Niederschweben
nach einer überfollen Rose greift.

Dann kommt die Nacht, in der sie noch nicht fällt,
behutsam wie von einem Händefalten,
von ihrem Glühen mitten im Erkalten,
von irgendetwas noch zusammengehalten,
obwohl sie keines ihrer Blätter hält.

Wie habt Ihr jene wunderliche Nacht
heraufgerufen, glühend und verdüstert,
mit allem, was in ihren Büschen flüstert,
mit allem, was auf ihrem Grunde wacht:

in der Ninon, in ihres Herzens Kelche
schon lose liegend, sich noch einmal schloss
und dann in eine lange Schale überfloss,
in eine schöne ewige . . . .
                        in welche?


Rainer Maria Rilke, Januar 1906, Meudon
Gedichte 1906 bis 1926.
(Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte aus den mittleren und späten Jahren.)