Zurück zur Hauptseite

An Karl von der Heydt

Meinem und meiner Arbeit liebem Freunde
dankbar zugeschrieben,
da ich seine Worte vom "Stunden-Buch" gelesen hatte

So will ich gehen, schauender und schlichter,
einfältig in der Vielfalt des Scheins;
aus allen Dingen heben Angesichter
sich zu mir auf und bitten mich um eins:

um dieses unbeirrte Gehn und Sagen
und darum: nicht zu ruhn, ich fühlte denn
mein Herz in einem Turme gehn und schlagen:
so nah den Nächten, so vertraut den Tagen,
so einsam weit von jedem, den ich kenn;

und doch so wie die Stunde, welche schlägt,
an Tausendem, das lautlos sich verwandelt,
teilnehmend - und mit Tausendem, das trägt,
mittragend - und mit Einem, welcher handelt,
mithandelnd, leise von ihm miterwägt...

Unsäglich Schweres wird von mir verlangt.
Aber die Mächte, die mich so verpflichten,
sich auch bereit, mich langsam aufzurichten,
so oft mein Herz, behängt mit den Gewichten
der Demut, hoch in ihren Händen hangt.


Rainer Maria Rilke, 6.1.1906, Meudon
Dokumente der Freundschaft, Rainer Maria Rilke und Karl von der Heydt. Privatdruck Leipzig 1927.