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Da ward auch die zur Frucht Erweckte

Da ward auch die zur Frucht Erweckte,
die schüchterne und schönerschreckte,

die heimgesuchte Magd geliebt.
Die Blühende, die Unentdeckte,
in der es hundert Wege giebt.

Da ließen sie sie gehn und schweben
und treiben mit dem jungen Jahr;
ihr dienendes Marien-Leben
ward königlich und wunderbar.
Wie feiertägliches Geläute
ging es durch alle Häuser groß;
und die einst mädchenhaft Zerstreute
war so versenkt in ihren Schoß
und so erfüllt von jenem Einen
und so für Tausende genug,
dass alles schien, sie zu bescheinen,
die wie ein Weinberg war und trug.


Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf