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Frage an den Gott

Zueignung an Renée

Hab ich nicht recht, dass ich sie langsam spanne,
eh ich die Vögel meiner Welt
erlege; prüfend erst, von welchem Manne
mein gradestes Gefühl am höchsten schnellt?

Hab ich nicht recht, wenn ich sie nachts verachte?
Mit ihnen trifft man nur das nahe Tier;
ich aber will, die ich im Gehn betrachte,
die hohen freien Stürme über mir,

den Himmel selbst, wie er auf Schwingen liegt,
will ich durchbohren, wenn ich einmal fühle:
wo ist der Bogen für so weiten Pfeil?
Solang das Liebe heißt, dass einer siegt
über den andern, geh ich. Teile Kühle
im Gehen mit. Ich werde nicht zuteil.


Rainer Maria Rilke, 29.11.1915, München
Die Neue Zeitung, 8.9.1947