Mach Einen herrlich, Herr, mach Einen groß, 
 bau seinem Leben einen schönen Schoß, 
 und seine Scham errichte wie ein Tor 
 in einem blonden Wald von jungen Haaren, 
 und ziehe durch das Glied des Unsagbaren 
 den Reisigen, den weißen Heeresscharen, 
 den tausend Samen, die sich sammeln, vor. 
 
 Und eine Nacht gieb, dass der Mensch empfinge 
 was keines Menschen Tiefen noch betrat; 
 gieb eine Nacht da blühen alle Dinge, 
 und mach sie duftender als die Syringe 
 und wiegender denn deines Windes Schwinge 
 und jubelnder als Josaphat. 
 
 Und gieb ihm eines langen Tragens Zeit 
 und mach ihn weit in wachsenden Gewändern, 
 und schenk ihm eines Sternes Einsamkeit, 
 dass keines Auges Staunen ihn beschreit, 
 wenn seine Züge schmelzend sich verändern. 
 
 Erneue ihn mit einer reinen Speise, 
 mit Tau, mit ungetötetem Gericht, 
 mit jenem Leben, das wie Andacht leise 
 und warm wie Atem aus den Feldern bricht. 
 
 Mach, dass er seine Kindheit wieder weiß; 
 das Unbewusste und das Wunderbare 
 und seiner ahnungsvollen Anfangsjahre 
 unendlich dunkelreichen Sagenkreis. 
 
 Und also heiß ihn seiner Stunde warten, 
 da er den Tod gebären wird, den Herrn: 
 allein und rauschend wie ein großer Garten, 
 und ein Versammelter aus fern. 
 
 
Rainer Maria Rilke, 16.4.1903, Viareggio